Revox B77
Guter (Revox) Durchschnitt


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Es gibt in der "Szene" so viele Kenner von Revox, dass es mir nicht zusteht, sehr technisch über die B77 zu schreiben. Auch sie war einer der Jugendträume und ging nun als vorerst letzte Bandmaschine in die Sammlung ein.

Diese B77 war hier (in der Türkei) merkwürdigerweise recht günstig zu ersteigern. Die grosse Vorfreude bremste meinen kritischen Teil und so kam sie aus Ankara ohne weiteres Nachfragen. Sie sah halt auf den Bildern hübsch aus. Natürlich abgeholt von einem Verwandten, der dort zu tun hatte. Kein Risiko mit den Kurierdiensten!
Und sie sah auch gut aus. Die ungewohnten Zahlen uber den Geschwingidkeitswahltasten waren anfangs noch leicht zu übersehen. Das wird schon werden, das bekommt man hin. Hauptsache eine B77 ist endlich hier. Kein: "...darf ich die mal  anfassen?" mehr. Alles war nun frei. Sogar das Aufschrauben.

Eine Bandschneideschiene war auch drauf, meine anderen Revoxe hatten sowas nicht. Dagegen hatten fast alle anderen Exemplare bei Freunden oder auf Bildern dieses Teil aufgeschraubt. Also kein Neid mehr.
Ausserdem waren da noch so 2 unbekannte Regler "Threshold" und ein Automatic Schalter anwesend, die irgendwie fehl am Platz erschienen. Konnte ja nichts Schlimmes sein.

Diese B77 ist tatsächlich in einem recht guten Zustand, kaum benutzt. Keine grösseren Kratzer oder Abschürfungen. Und die Frontplatte aus Metall. Herr Studer hatte wohl dazu gelernt und bemerkt, dass sich dieses Teil bei den Vorfahren (A77), aufgrund irgendwelcher chemischen Alterungen, verbeult. Die obere Abdeckung ist aber aus Kunststoff. Nicht wie die A700, oder z.B. Philips N4450, N4520, Pro 12, Braun TG 1000, Tandberg TD 20, Telefunken M3000 usw., die alle Metallabdeckungen aufweisen, sondern wie die A77 oder die Philips N4504 & Co, N7300, die mit Abdeckplatten aus Kunststoff bedeckt sind. Aber diese scheint sich nicht wie die Untere zu verformen und ist ja eh unter den grossen Spulen kaum zu sehen.

Weiterhin sind die oberen Hälften der Dreizacks aus Kunststoff. 

Farblich bietet die B77 den Augen, genauso wie die A700, ein Einheitsgrau an. Dieses Grau wirkt aber als Gesammtkomposition recht edel. Die Beschriftung, die metallenen Knöpfe, sowie einige dezente Zierleisten und glänzende Ringe um Buchsen und Kippschalter harmonieren zu einem ernsten aber dennoch anziehenden Ganzen. Die B77 ist damit optisch schon mal unter den "hübschen" Bandmaschienen einzuordnen.
Von der A77 übernommen sind die Bandführung, der Klappdeckel zum einfacheren Bandeinlegen und die Position der Zählwerks. Das ist aber auch äusserlich alles. Natürlich abgesehen von den recht ähnlichen Köpfen und der fehlenden Bandspannungskontrolle. Was gerade bei der B77 eigentlich etwas merkwürdig ist. In dieser Preisklasse sollte doch nicht auf gut Glück gewickelt werden.
Danach geht die B77 ihre eigenen Wege: Bandlauftasten auf der rechten Seite, Geschwindigkeitsumschalter unabhängig von Hauptschalter und Spulengrössenwähler, Kippschalter, getrennte, nicht mehr koaxiale, Knöpfe für Aufnahmepegel und Einganswähler, sowie für Kophörerlautstärke und Spurwahl. Dafür fehlt der Abschalter für die Bremsen, da sitzt jetzt der Schalter für die Spulengrösse. Eine eingebute Endstufe ist garnicht erst vorgesehen, man hat wohl bei der A77 gesehen, dass diese kaum gebraucht wird.
Ausserdem sind die VU Instrumente etwas grösser, was mit zur schönen Optik beiträgt und die Aufnahmeanzeigelampen sitzen nicht mehr an den VU Instrumenten, deren Anzeige weder zu schnell, noch zu träge, also eben genau richtig ist.

Der Aufnahmeschalt- und Regelteil ist bestechend symmetrisch aufgebaut. Es gibt keine Mischmöglichkeit, aber wer benutzt sowas auch schon? Die Pegelregler sind Einzelpotis und lassen sich gut drehen, genauso wie die Eingangswahlschalter.

Der "Volume" Regler, ein Doppelpoti, ist nur auf den Kopfhörer wirksam, nicht aber auf den Verstärkerausgang, 

der hat dafür hinten bei den Buchsen zwei getrennte Pegelregler. 

Der wichtigste Fortschritt zur A77 ist jedoch die Bandbewegungskontrolle. Diese besteht aus einer kleinen Platine unter dem rechten Wickelmotor, die "schaut" ob sich das Band bewegt oder nicht. Somit kann man nun, wie bei allen anderen, elektrisch/elektronisch gesteuerten Maschinen beim Rückspulen ohne Stop auf Play Drücken. Die Elektronik wartet mit dem Umschalten so lange bis das Band steht.  So, wie es sich gehört.



Die Steuerelektronik arbeitet nicht mehr wie die A77 mit Relais, sondern besteht aus digitaler Elektronik. Ausserdem sind die Laufwerksgeräusche bedeutend niedriger als die der Vorgängerin.


VON DER ABHÖRMASCHINE ZUR STANDARTVERSION

Nach einiger Zeit  der Vorfreude, galt es der Realität ins Auge zu sehen.
Diese B77 lief nur mit den ultralangsamen Geschwindigkeiten 4,75 und 2,4 cm/sec, war also die "Ultraslow" version.
Doch war es nicht die einzige Besonderheit, sie konnte auch automatisch starten und anhalten. Liegt an den
Eingängen (z.B. eine abzuhörende  Tel. Leitung) ein Signal (Leute unterhalten sich) an, springt sie sofort auf Aufnahme 
und hält wieder an, wenn kein Signal mehr vorhanden, das "wichtige" Gespräch beendet ist. Das geht natürlich auch
bei normalen Aufnahmen z.B. vom Radio. 
Allerdings muss die Maschine dazu immer eingeschaltet sein, der Capstan also ständig laufen. 
Für diese automatische Aufnahmefunktion gibt es den "Auto Manual" Schalter, den die "normalen" B77 Versionen
nicht haben. Ist er gedrückt, geht es nur per Eingangssignal, die Bandlauftasten sind dann "ausser  Betrieb".



Damit nicht bei jedem Knacken in der Leitung, die Aufnahme beginnt, kann man mit den beiden "Threshold" Reglern die
Einschaltschwelle bestimmen.



Allerdings ist es schwer verständlich, warum zum Abhören von Telefonleitungen so ein (Halbspur-) Gerät
benutzt worden ist, das eigentlich fast schon Studioqualität hat. Man wollte wohl auf Nr. Sicher gehen.  
Und wenn bei diesen langsamen Geschwindigkeiten die Arbeit schon getan, von dem Band aber nur wenig
verbraucht worden war, konnten die Kollegen von James Bond mit der eingebauten Schneideschiene
einfach das Band vor Ort abschneiden. Einen anderen grund kann die Schiene ja wohl nicht haben. 
Ist nur zu hoffen, dass mit diesem Gerät auch wirklich nur richtige Staatsfeinde bespitzelt worden sind.
Dem Zustand der Maschine nach, können es zumindest nicht sehr viele gewesen sein.
 
Nun konnte diese Funktion ja abgeschaltet werden und war somit nicht weiter störend. Aber was machen
mit der Geschwindigkeit? 
Die war für Musik einfach unbrauchbar. Ausserdem sollte es eine "echte" B77 werden.
Dieses Problem war aber ohne Fremde Hilfe nicht mehr zu lösen und die kam auch.
Im Service Manual ist zu lesen, dass es 3 verschiedene Motoren gibt, die sich im Durchmesser der Capstanwelle
unterscheiden. Die Steuerplatine gibt es in 4 Versionen. Nach einigem Studium der Schaltungen gab es nur 2
Kondensatoren, die zu ändern waren. Diese sind auch noch parallel geschaltet, es ist im Grunde also
eigentlich nur einer. Aus der Tabelle ging hervor, dass die Ultraslow (2,8/4,75) und Slow Versionen (4,75/9,5)
den gleichen Motor (mit 3,00 mm Wellendurchmesser) haben, nur, dass sich dieser einmal langsam und 
einmal doppelt so schnell dreht. 
So war es keine grosse Kunst, schon mal auf 4,75/9,5 umzurüsten.
Damit war aber auch schon Schluss, für mehr musste ein neuer Motor, oder zumindest eine neue Welle und die
Montageplatte her.
Der erste Motor, natürlich von einem Freund (Michael) aus Deutschland geschickt, hatte leider die gleiche Welle.
Erst einige Monate später kam (!) ein 2. Motor, selber hergebracht von Andreas, bekannt als "Highlander". Bei 
diesem Motor stimmte der Durchmesser (4,51mm). Die "Speed" war nun gut . Danke an beide Freunde.
Wenn sich der Durchmesser der Capstanwelle ändert, würde sich damit auch die Stellung des
Andruckrollenhebels ändern. Um das zu verhindern, haben die Revox Leute einfach die Schraublöcher auf den
Montageplatten der verschidenen Motoren entsprechend verstetzt gebohrt. Eine Präzisionsarbeit. Die Löcher
sind so passend, dass keine Einstellung nötig oder möglich ist. So sitzen die Motoren entsprechend 
dem Wellendurchmesser einfach alle richtig und die Andruckrolle kommt immer in die gleiche Stellung,
Der Andruckpunkt der Rolle bleibt immer der gleiche. Also wenn, dann immer Motor mit Platte wechseln.


Zu sehen, die versetzten Löcher der Montageplatte, hier bei der langsamsten
Ausführung.

Ja, nun war da noch so ein Thema, genannt Aufnahme/wiedergabe Entzerrung.....
Musste das sein? Ja! Es musste.
Also Schaltpläne her. Wieder gab es 4 verschiedene Versionen. Es mussten alle Teile verglichen werden.
Im Gegensatz zur Motorplatine gab es hier keine Tabelle. Die musste man selber machen. Nach einigem
Studium standen die zu ändernden Teile fest. Auf den beiden zuständigen Platinen waren einige
Widerstände und Kondensatoren zu wechseln. Weiss man welche, ist das garnicht so schwierig.
Anregungen zu solch einem Umbau gibt es hier.
Und zum Schluss gab es als Belohnung eine gute schöne richtige
B77

Die B77 in "Ganz", diesemal mit geschlossener Klappe.

Einziges gebliebenes "Problem", die Aufdrucke ( "15/16" & "1 7/8" ) über den Geschwindigkeitstasten. 
Da die Zollangabe sowieso nicht so mein Ding ist, werde ich damit  leben können.

Weitere Bilder:


Einstellung der VU Anzeigen. Das Oszilloskop dient gerade nur als Milivoltmeter. 
Ein PC mit Tongenerator Software als Quelle


Die Platine hinter der Frontblende. Die Runden sind die Drehschalter.


Ohne Gehäuse von Hinten. Ganz unten links ist die Automatikplatine zu sehen, die mit den 3 Steckern drauf.


Offen von Vorne, Andruckrolle abgenommen


Köpfe, natürlich Halbspur!


Bandklebe- oder Schneideschiene


Die Andruckrolle, mit noch dünner Capstanwelle


Ein Etikett

Wie so oft, ist es nicht notwendig, sich den Kopf über die technischen Daten zu zerbrechen,
sie gehören zu den Besten und sie waren vor allem ernsthaft gemessen und garantiert.


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